Geschichte des Johannisbades Zwickau (Kurzfassung)
Der Landkreis Zwickau wirbt unter touristischen Aspekten mit dem Begriff Zeitsprungland. Das Zwickauer Johannisbad, das zweifelsohne zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Region zählt, könnte sich als Zeitsprungobjekt im Zeitsprungland bezeichnen. Für die Einrichtung sind die Jahreszahlen 1869 (die Eröffnung der Badeanstalt), 1904 (die Vollendung des Schwimmhallenanbaus) und 2000 (die Neueröffnung des rekonstruierten Bades) von besonderer Bedeutung.
Die Orthopädische Heil- und Badeanstalt Johannisbad Zwickau ab 1869
Für den seit 1850 als leitender Oberarzt am Stadtkrankenhaus in der „Leipziger Vorstadt“ von Zwickau wirkenden Dr. Julius Schlobig (1816 – 1887) war die verheerende Choleraseuche von 1865/66, die in weiten Teilen Deutschlands wütete, der letzte Anstoß, etwas für die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse in Zwickau zu tun. Seine Erkenntnisse als Arzt bezogen sich neben dem Problem mangelnder Hygiene auch auf das Wissen um die heilende Wirkung des Wassers. Inzwischen zu einigem Vermögen gelangt, gab er 1866 den Auftrag zum Bau einer privaten Orthopädischen Heil- und Badeanstalt. Er dachte dabei auch daran, sein Können als Arzt mit der Behandlung von Privatpatienten gewinnbringend einzusetzen. Mit dem Bau beauftragte er den jungen Zwickauer Architekten Ludwig Möckel (1838 – 1915). Dieser hatte gerade eine Ausbildungs- (an der renommierten Polytechnischen Schule) und Gesellenzeit in Hannover beendet. Er lernte dort die neogotische hannoversche Architektenschule kennen. In seinen letzten Jahren erlebte er die Fertigstellung der Badehalle Hannover (1865), eine der ersten Einrichtungen dieser Art in Deutschland. In der Aufgabenstellung für den Zwickauer Bau hatte Schlobig formuliert: Zum einen den Bau einer bequemen und mit Rücksicht auf alle sanitären Ansprüche der Neuzeit eingerichteten Bade-Anstalt, zum anderen eine Heilanstalt, in welcher auswärtige Kranke sich einer Kur unterziehen können. Die Standortwahl, direkt neben dem Stadtkrankenhaus, sicherte Dr. Schlobig später ein bequemes Pendeln zwischen beiden Einrichtungen. Der 28-jährige Ludwig Möckel nahm nach seiner Rückkehr nach Zwickau eine Vielzahl kleinerer und größerer Bauaufträge in Angriff. Für Zwickau wurde er dabei zum Begründer des nordischen Backsteinrohbaus, den er in der Formensprache der Neogotik ausführte. Ein herausragender früher Zwickauer Bau wurde das Johannisbad, womit, so Bauhistoriker, Möckel die ersten Klinkerfassaden des Historismus in Sachsen und damit eine “Inkunabel“ für zahlreiche Folgebauten schuf.
Im dreigeschossigen Hauptgebäude befanden sich im 1. und 2. Stockwerk Zimmer für Privatpatienten. Im Erdgeschoss waren Kassenraum, Verwalterwohnung und Warteräume für den Bäderbereich untergebracht. Da der ursprünglich vorgesehene linke Flügel (vgl. Zeichnung von 1874) nie gebaut wurde, musste Möckel an anderer Stelle Ersatz für die geplanten Patientenzimmer schaffen. Er setzte im vorderen Bereich des nach Osten zeigenden Bäderflügels ein weiteres Geschoss auf, was ihm allerdings architektonisch nicht gefallen haben dürfte. Die am besten ausgestatteten Patientenzimmer befanden sich im 1. Stockwerk des Haupthauses. Zu diesen vier Appartements gehörten eigene Badezimmer. Vom Wartezimmer im Erdgeschoss des Haupthauses gelangten die Gäste in den Bäderflügel. Im vorderen Teil befanden sich neun Badezellen mit eingebauten Badewannen. Hier wurden nicht nur Säuberungs- sondern auch medizinische (Cur-) Bäder angeboten. Im Anschluss an die Wannenbäder gelangte der Besucher in das irisch-römische Bad. Hier hielten sich Gäste mit gehobenen Ansprüchen auf. Unterhalb des irisch–römischen Bades, im Souterrain, befanden sich die preiswerten Brausebäder. Die Gäste gelangten dorthin durch einen separaten Eingang. Für die Räume des irisch-römischen Bades verwendete Möckel Begriffe aus der römischen Thermenkultur. Kennenglernt hatte er dies beim Bau der Badehalle in Hannover, wo die Räume des irisch-römischen Bades ebenfalls Bezeichnungen nach antikem Vorbild erhielten.
Für das irisch-römische Bad gab es einen separaten oder den Zugang über den Wannenbäderbereich. Von hier aus gelangte man zunächst in den größten Raum, das Frigidarium. Dieser Kaltraum mit seinen abtrennbaren Kabinen war sowohl Ruheraum als auch Brauseraum und Knetraum (Massagen). Das Frigidarium ist der einzige Raum, der noch heute (Ruheraum) im nahezu Originalzustand erhalten geblieben ist und mit seiner Holzausgestaltung begeistert. Über einen Vorraum gelangten die Gäste in die einzelnen Schwitzräume. Zentraler Raum war das leicht erwärmte Lavacrum, wo Duschen und Abkühlbecken bereitstanden. Von hier aus konnten die Gäste das Tepidarium (trockenes Warmluftbad mit etwa 45 bis 50 Grad Celsius), das Sudatorium (Schwitz-und Heißluftbad mit über 60 Grad Celsius) oder das russische Dampfbad aufsuchen. Der bauinteressierte Besucher kann noch heute die alten Strukturen der früheren Räumlichkeiten erkennen.
Vom Frigidarium aus gab es auch einen Zugang zum sogenannten Wasserturm. Im oberen Bereich des Wasserturmes befanden sich Zisternen sowie Trockenräume für die Wäscherei. Im Wasserturm und den Umbauten im Erdgeschoss waren der Heizkessel und weitere technische Anlagen untergebracht. Der Wasserturm mit Saugesse und (verkürzten) Dampfschornstein sind noch heute erhalten. Zur Gesamtanlage gehörte auch die Remise mit Pferdestall, Wagenraum, Küche, Geschirrraum und Nebenräumen. Hier stand einst die Kutsche des Dr. Schlobig, heute werden Reste des Gebäudes als Gaststätte genutzt.
Obwohl die Einrichtung, die Dr. Schlobig von Beginn an als Johannisbad bezeichnete, in Teilen bereits 1868 in Betrieb ging, erfolgte die offizielle Eröffnung der Gesamtanlage am 14. September 1869. Die Gesamtkosten für den Bau wurden mit 168.000 Mark angegeben.
Die Einrichtung des Dr. Schlobig entwickelte sich zunehmend zu einem Erfolgsmodell. Sie war die erste orthopädische Heilanstalt in der Stadt. Die Badeeinrichtung gab Dr. Schlobig die Möglichkeit, die heilende Wirkung der verschiedensten Wasserbehandlungen in seine Therapien mit einzubeziehen. Da der Leiter der Einrichtung ein Arzt war, haben wir hier die vielleicht früheste konsequente Ausrichtung eines Volksbades auf den medizinischen Aspekt außerhalb der bereits etablierten Kurbädereinrichtungen. Im Jahre 1909 erschienen Standardwerk zu Bäder- und Badeanstalten in Deutschland erwähnte der Autor Prof. W. Schleyer unter der Rubrik Wasserheilanstalten an erster Stelle die Bade-und Heilanstalt des Dr. Schlobig in Zwickau. Er bezeichnete sie als eine Musteranstalt. Die Zwickauer Einrichtung stellte er in eine Reihe mit den Wasserheilanstalten nach der Methode des Pfarrers Kneipp, mit dem Germaniabad in München und den Arbeiterheilstätten Beelitz. Die Heil- und Badeanstalt war so erfolgreich, dass Dr. Schlobig den Bau zwei weiterer Gebäude zur Kapazitätserweiterung in Auftrag gab. Bereits 1881 stand der sogenannte Neubau 1, worin weitere Patientenzimmer und die Wohnung des Dr. Schlobig eingerichtet wurden (heute Wohnhaus). Ein Jahr später folgte der Neubau 2, der zusätzliche Kapazitätserweiterungen brachte. Dieses Gebäude wurde wegen seiner späteren Nutzung als Siechenhaus bekannt. Beide Gebäude, inzwischen saniert, sind erhalten geblieben und ergänzen den Johannisbadkomplex. Als Dr. Schlobig 1882 mit 66 Jahren in den Ruhestand ging, hatte er mit der Leitung des Johannisbades noch genügend Arbeit. Eine Liste von 49 Patienten vom April 1887 belegt, dass Heilsuchende aus ganz Deutschland, so aus Lübeck, Dresden, Magdeburg und weiteren Orten den Weg nach Zwickau fanden. Am 15. April 1887 verstarb Dr. Samuel Friedrich Julius Schlobig. Bei der Trauerfeier am 18. April 1887 bildeten die dankbaren Zwickauer vom Johannisbad bis zum Friedhof für die letzte Fahrt des Dr. Schlobig ein Spalier. Noch heute wird das Ehrengrab auf dem Zwickauer Hauptfriedhof von der Stadt gepflegt. Das Areal am Niederen Anger erhielt den Namen Am Schlobigplatz und aus Anlass des 10. Todestages wurde am 15. April 1897 eine vom Bildhauer Joachim Ramcke (1839 – 1917) geschaffene Büste als Denkmal enthüllt.
Seinen Nachlass regelte Dr. Schlobig bereits im Jahre 1885. Der größte Teil des beweglichen und unbeweglichen Nachlasses sollte an die Stadtgemeinde Zwickau fallen. Einen Grundsatzbeschluss zur Übernahme des Nachlasses von Dr. Schlobig fasste der Rat der Stadt am 29. April 1887. Dies war somit der Beginn der städtischen Bäderverwaltung in Zwickau. Zur Verwaltung des Nachlasses wurde die „Dr. Schlobig-Stiftung“ gegründet. Die Einrichtung erhielt den neuen Namen „Städtische Heil- und Badeanstalt Johannisbad“. Die nunmehr städtische Verwaltung behielt das bisherige Bäderangebot weitestgehend bei. Notwendige Reparaturen wurden veranlasst. Ebenso konnten sich weiterhin Privatpatienten einquartieren, die nunmehr vom Oberarzt des Stadtkrankenhauses, Dr. Gustav Horn, betreut wurden. Der gute Ruf der Einrichtung blieb noch lange erhalten. Bereits 1889 kam bei den Verantwortlichen der Gedanke auf, die Einrichtung mit einer Schwimmhalle zu ergänzen. Ein Trend, der inzwischen in vielen deutschen Städten zu verfolgen war. Ab 1890 wurde ein „Fonds zur Errichtung einer Bade- und Schwimmhalle“ eingerichtet. Im Wesentlichen besparte die Sparkasse Zwickau diesen Fond. Das Geldinstitut zahlte jährlich etwa ein Sechstel des Reingewinns ein. Um letztlich die Gesamtkosten des Schwimmhallenanbaus aufzubringen, zahlte die Sparkasse Zwickau bis zum Jahre 1909 und trug somit den übergroßen Anteil der Kosten des Schwimmhallenbaus.